Mittlerweile habe ich mich sehr gut auf der Ranch eingelebt. Ich befinde mich ziemlich weit „ab vom Schuss“. Die nächsten Ortschaften und Städte sind alle mindestens eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Winnipeg, die Stadt in der ich gelandet bin, liegt vier Stunden Autofahrt südlich von uns. Obwohl sich Kanada noch sehr viel weiter nach Norden ausstreckt, ist es schon hier an manchen Tagen ziemlich kalt (und das obwohl der Winter dieses Jahr außergewöhnlich warm ist, so sagen zumindest die Einheimischen).
Ich habe hier bereits viele kalte Tage und einige super kalte bis eisige Tage erlebt. Bei -26°C hatte ich das erste Mal eine, für mich bis dato vollkommen ungewohnte Erfahrung. Bevor ich mich auf die Reise in den kanadischen Winter begab, habe ich mich gut ausgestattet mit Merino-Kleidung, Fleece-Pullis, gefütterten Leggings und Thermo-Skisocken. Selbst nagelneue Winterstiefel, die für Temperaturen bis zu -30°C gemacht sind, trage ich täglich, aber schon nach wenigen Minuten schleicht sich die Kälte an und man kann so gut wie nichts dagegen unternehmen. Meine Finger spürte ich nach 10 Minuten kaum noch und das obwohl ich meine dicken Snowboard-Handschuhe anhatte. Ich musste kurz nach innen gehen und nach weiteren Handschuhen suchen. Aus der Kälte wurde Schmerz und Tränen schossen mir in die Augen. Sowas hatte ich noch nie erlebt! Ich stattete mich mit einem zweiten Paar Handschuhe aus, das ich unter meine dicken Handschuhe zog und ging wieder nach draußen. Bei der Kälte fällt einem das Atmen schwer und jede Bewegung braucht doppelte Anstrengung. Wenn ich meine Nase kurz nicht bedeckt habe, gefirert sie von innen, ebenso wie meine Wimpern sobald ich draußen bin. Meine Zehen waren der Kälte leider unaufhaltsam ausgeliefert und konnten erst nach einer warmen Dusche wiederbelebt werden. Eine verrückte Erfahrung! Irgendwann werde ich mich daran gewöhnen, hatte man mir gesagt…
Und das tat ich tatsächlich. In den nächsten Tagen warteten Temperaturen von über -30°C am Morgen auf mich. Glücklicherweise wurden wir kurz zuvor noch mit Zehenwärmern ausgestattet, die man an die Unterseite der Socken klebt. Diese Dinger retten mir echt das Leben! Nichtsdestotrotz ist selbst eine halbe Stunde, die man draußen verbringt, anstrengend und man muss des Öfteren Pausen machen, um Finger und Zehen wiederzubeleben und aufzuwärmen. Später bekam ich für ganz kalte Tage noch kanadische Fäustlinge. Anfangs tat ich mir schwer meine Aufgaben mit den zig Klamottenschichten und dicken Handschuhen zu erledigen, aber mit der Zeit wurde vieles einfacher und zur Routine.
Der absolute Kälte-Rekord liegt momentan bei -39°C (!!!) Anfang Februar. Gepaart mit Wind ist das absolut keine angenehme Erfahrung, aber meist dauern die Kälte-Perioden nicht allzu lange an und es wird auch wieder etwas „wärmer“.
Zu meinen Aufgaben hier auf der Ranch gehört vor allem das Umsorgen der Tiere. Jeden Tag begeben wir uns auf zwei Kontrollrundgänge am Morgen und Abend, um zu sehen, ob die Pferdeherden vollzählig sind. Wir schauen auch, dass die Tiere genug Wasser und Futter haben und keines eine Verletzung hat. Da die Ranch auch eine Art Auffangstation für viele alte oder verletzte Tiere ist, bekommen diese unsere besondere Aufmerksamkeit und werden teilweise mit Spezialfutter und/oder Medikamenten versorgt. Die Pferde sind rund um die Uhr draußen, haben aber Unterstell-Hütten und an ganz kalten Tagen wurden die Ältesten von uns mit Pferdedecken ausgestattet und manche in eine kleine offene Scheune gebracht.
Der große Holzofen, der für die Warmwasserversorgung der gesamten Ranch zuständig ist, muss auch mehrmals am Tag gecheckt und mit Holz gefüllt werden und darf keinesfalls aus gehen, da sonst das Wasser in den Rohren, die überall in den Innenräumen zum Heizen verlegt sind, gefrieren würde und wir dann ein echtes Problem hätten. Außerdem werden die Wege von uns gepflegt und hin und wieder von Schnee befreit, wenn es nötig ist – entweder per Hand und mit Schaufel und Besen oder mit großen oder kleinen Schneefräsen.
Seitdem ich hier bin, durfte ich schon viel über den Umgang mit Pferden lernen und bekam einige Trainingseinheiten. Hier auf der Ranch wird ein besonders sanfter, artgerechter und tierfreundlicher Umgang mit den Pferden gelehrt. Es kommen weder Metallgebisse, noch Peitschen o.ä. zum Einsatz. Auch gibt es keine Wortbefehle oder laute Geräusche. Man legt viel Wert auf den Urinstinkt der Tiere und die Kommunikation zwischen Mensch und Tier erfolgt größtenteils über Körpersprache, was ich unglaublich faszinierend finde. Mittlerweile durfte ich auch meine etwas eingestaubten Reitkenntnisse wieder auffrischen und bekam kleine Unterrichtseinheiten.
Die Atmosphäre hier ist sehr familiär, wir essen jeden Tag gemeinsam und manchmal kochen oder backen wir auch zusammen – und das alles rein pflanzlich, unglaublich gesund & lecker!
Zwischen unseren täglichen Aufgaben haben wir viel Freizeit, die ich unter anderem zum Fotografieren genutzt habe. Dabei entstanden auch diese Bilder von gefrorenen Seifenblasen oder heißem Wasser, das in kürzester Zeit zu Schnee wird:
Auch ein kleiner Fotoauftrag erreichte mich zwischendurch. Ich durfte Bilder von einem der Pferde anfertigen und konnte der Besitzerin damit eine große Freude bereiten:
Lest dazu gern die Geschichte von Henry in diesem Beitrag.
Ansonsten war ich nach meiner Quarantäne-Zeit (die ich übrigens ohne Symptome überstanden habe) auch einmal mit zum Einkaufen und habe dabei einen kanadischen Supermarkt von innen, schneeverwehte Straßen und die Ortschaften Inglis, Russell und Roblin gesehen. 😀 In den nächsten Tagen ist auch noch ein Ausflug ins benachbarte Skigebiet geplant und ich habe bereits eine Jobzusage für den Sommer – YES!
eine schöne weitere Erfahrung darfst du hier machen Nancy.
Ich wünsche dir noch viele weitere tolle Erlebnisse und eine gute Zeit im hohen Norden!
Ohja, ich bin auch sehr glücklich, dass es doch noch geklappt hat! 🙂
Vielen Dank & liebe Grüße ins wesentlich wärmere Italien 😉