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Camino Portugues – ein Paar Wanderschuhe, ein Rucksack & ein Ziel

Es war der Ostersonntag 2018 als ich das erste Mal in Santiago de Compostela stand. Ich war damals noch im Einsatz an Bord eines Kreuzfahrtschiffes und durfte die Stadt im Rahmen einer Exkursion, die ich als Fotografin begleitet habe, besuchen. Dabei geschah etwas in mir und das Mysterium ‚Jakobsweg‘ ließ mich ab diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr los…

Nach einigen Recherchen, ein wenig Planung im Voraus und ein Jahr später, war es dann soweit und meine Reise entlang des Portugiesischen Jakobsweges startete im Mai 2019.

Ich buchte meine Flüge, kaufte mir einen Rucksack* und einen Pilger-Ratgeber* und stürzte mich blauäugig ins Abenteuer.

Noch nie zuvor hatte ich eine derartige Wandertour gewagt oder getestet. Noch nie zuvor habe ich so viele Kilometer Tag für Tag zu Fuß zurückgelegt und noch nie zuvor trug ich dabei mein gesamtes Gepäck zwei Wochen lang auf meinem Rücken mit mir herum…

Porto

Direkt am Flughafen in Porto angekommen, konnte ich schon die ersten Pilger entdecken. Sie waren, wie ich, ausgestattet mit Wanderklamotten, einem Rucksack und manche trugen ebenfalls die Jakobsmuschel oder Wanderstöcke mit sich. Ich hatte mir für die ersten zwei Nächte einen Schlafplatz in einem Hostelzimmer gebucht und so musste ich nur noch vom Flughafen in die Innenstadt gelangen. Ich war tatsächlich etwas erschöpft vom Flug, der mit Verspätung in Porto ankam und freute mich, dass ich noch einen kompletten Tag zur Verfügung hatte, um mir die Stadt in Ruhe und bei Tageslicht anzusehen – was ich absolut jedem empfehlen würde, da Porto sehr sehenswert ist!

1.Etappe: Porto – Angeiras

Da sich mein Hostel direkt in der Innenstadt Portos befand, war es auch nicht weit bis zur Kathedrale und hier startet die Reise. Mit meinem Pilgerausweis begab ich mich nach einem kleinen Frühstück auf den Weg und holte mir meinen ersten Stempel ab. Der Ausweis dient als Nachweis und man bekommt damit auf dem Weg z.B. vergünstigte Pilgermenüs in Restaurants, kann in den Pilgerunterkünften übernachten und bekommt dafür am Ende in Santiago de Compostela die Pilgerurkunde ausgestellt.

Meine erste Etappe führte mich aus Porto raus, zuerst entlang des Flusses und dann irgendwann Richtung Meer. Ich habe mich für die Küstenvariante des Weges entschieden und musste hier ganz einfach immer dem Weg nach Norden – das Meer zu meiner Linken – folgen.

Ich fühlte mich gut, traf nach den ersten paar Metern eine weitere Pilgerin in meinem Alter und legte an diesem Tag schon um die 20 km zurück. Die erste Nacht verbrachte ich auf einem Campingplatz in Angeiras. Leider hatte uns unterwegs zuvor ein kleiner Regenschauer erwischt und ich hatte erst einmal zu kämpfen, meine Klamotten bis zum nächsten Tag trocken zu bekommen…

2.Etappe: Angeiras – Vila do Conde

Da der Regen am Vortag nicht nur meine Klamotten, sondern auch meine Schuhe erwischt hatte, habe ich es tatsächlich schon am ersten Tag geschafft mir eine Blase zu laufen – na toll!

Die zweite Etappe fiel dementsprechend etwas kürzer aus und ich legte einen halben Tag Pause in Vila do Conde ein. Zu meinem Glück war neben der Pilgerunterkunft an diesem Tag Wochenmarkt und ich gönnte mir ein leckeres Mittagessen auf dem Balkon der Albergue Santa Clara.

3.Etappe: Vila do Conde – Esposende

Der dritte Tag sah schon wieder etwas vielversprechender aus und ich startete meinen Weg kurz nach Sonnenaufgang. Aus der Stadt raus, legte ich meinen ersten Frühstücksstopp am Strand ein und lief bei strahlenden Sonnenschein weiter. An diesem Tag schaffte ich wieder viele Kilometer, traf auf dem Weg eine nette Engländerin und beendete meine Etappe in Esposende in einem schönen Hostel direkt über einer Pizzaria.

4.Etappe: Esposende – Viana do Castelo

Mein Tag begann wie gewohnt mit Sonnenaufgang. Zuversichtlich marschierte ich los, erst durch die Stadt, dann durch den Wald, bergauf und bergab. Gegen Mittag erreichte die Sonne ihren Zenit und brannte nur so auf mich ein. Ich war durstig, hatte Hunger und meine Füße schmerzten, als mir plötzlich irgendwo am Rande des Weges ein netter Portugiese eine frische saftige Orange schenkte – mein Tageshighlight!

Der Weg zog sich ins Unerträgliche und ich erreichte fix und fertig Viana do Castelo am Sonntagnachmittag, machte eine Jugendherbegre ausfindig, duschte mich und nahm meine Klamotten gleich mit unter die Dusche, fand etwas zu essen und fiel todmüde und erschöpft gegen 18:00 Uhr in mein Bett.

5.Etappe: Viana do Castelo – Vila Praia de Âncora

Neuer Tag, neues Glück. Eigentlich wollte ich heute nicht so weit laufen, da mein Knöchel mittlerweile zusehends dicker und schmerzhafter wurde, aber ich fand schon nach wenigen Kilometern einen weiteren Pilger, der sich meinem Schneckentempo anpasste und gemeinsam liefen wir an diesem Tag bis Vila Praia de Âncora. Eine super Entscheidung!

Hier hatte ich das schönste Hostel mit bester Lage direkt am Strand und konnte am Abend gemeinsam mit ein paar anderen Pilgern einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten.

6.Etappe: Vila Praia de Âncora – Vila Nova de Cerveira

Der letzte Tag am Meer! Ich setzte meinen Weg noch ein paar Kilometer weiter nach Norden fort bis zur Stadt Caminha und bog ab hier Richtung Osten ab, entlang des Grenzflusses Río Guadiana zwischen Portugal und Spanien. Endstation an diesem Tag war Vila Nova de Cerveira, wo mich ein kleiner Tränenanfall am späten Nachmittag übermannte…

Der Tag startete angenehm am Morgen, die Strecke verlief wieder einmal über Berge und Täler, durch kleine portugiesische Ortschaften und Wälder. Die Sonne wurde irgendwann immer intensiver und meine Kraft schwand immer mehr. Ein Blick auf Google-Maps frustrierte mich zusätzlich: 20min mit dem Auto, 2h zu Fuß… so oder so ähnlich war die Entfernung zwischen mir und meinem Tagesetappenziel angegeben. Endlose Serpentinen lief ich entlang, weit und breit kein weiterer Pilger zu sehen. Ich war genervt. Wo sind die nur alle? Es war erst Nachmittag 13:30 Uhr. Endlich angekommen an meiner Pilgerunterkunft musste ich feststellen, dass diese schon ausgebucht war. Kein Problem, es lag noch eine weitere auf dem Weg… Geschlossen! Ok, es gibt auch eine Jugendherberge. Ich erkundigte mich telefonisch nach einem freien Bett. Nichts. Ausgebucht. Keine freie Unterkunft weit und breit und bis zum nächsten Ort mindestens 8 km. Das schaffe ich nicht!

In meiner Verzweiflung buchte ich mir ein Einzelzimmer, das drei bis viermal so teuer wie ein Bett in einer Pilgerunterkunft war, aber meine einzige Option an diesem Tag. Dort angekommen stand ich zuerst mitten im Flur eines Wohnhauses und weit und breit war niemand zu sehen. Ich war erschöpft, mein kompletter Körper tat weh, ich wollte nur noch duschen, meine Klamotten waschen, etwas essen und zu Bett. Nach ca. fünf Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, kam eine ältere portugiesische Dame. Sie redete auf mich ein und ich verstand kein Wort. Ich fing an zu weinen und sie redete weiter auf mich ein, nahm mich in den Arm und beruhigte mich auf Portugiesisch. Ich verstand immer noch kein Wort.

Irgendwann führte sie mich dann aber doch in mein Zimmer und kümmerte sich sogar um meine Wäsche, worum ich sie per Google-Übersetzer gebeten hatte. Wenige Minuten später sah ich meine Wanderklamotten über dem Gartenzaun direkt am Eingang des Hauses hängen… naja, besser als nichts.

Glücklicherweise endete der Tag mit einem Glas Wein und der netten Bekanntschaft zweier Schweizer auf der Terrasse der portugiesischen Hausdame. Das war vielleicht ein Tag!

7.Etappe: Vila Nova de Cerveira – Valença – Tui

Nach diesem Ereignis am Vortag buchte ich direkt meine Unterkunft für die nächste Nacht im Voraus und machte mich beruhigt auf den Weg, zuerst Richtung Valença. Von hier aus führt eine Auto- & Fußgängerbrücke von Portugal nach Spanien. Der letzte Tag in Portugal war also angebrochen und ich blickte wehmütig auf den ersten Teil meiner Reise zurück. Ein kleiner Meilenstein war geschafft! Zu Fuß überquerte ich die Landes- und Zeitzonengrenze und befand mich kurze Zeit später in Spanien.

Die erste Stadt auf spanischer Seite ist Tui und hier verbrachte ich die Nacht in einem ehemaligen, zum Hostel umgebauten, Kloster.

Ein Tag Pause in Tui

Mein linker Knöchel war mittlerweile doppelt so dick wie der rechte und ich musste einen Tag Pause einlegen, nachdem ich am Vortag kaum noch die Treppen hochkam.

Der Tag tat mir gut, ich verbrachte die meiste Zeit im Bett und kühlte meinen Knöchel. Am Nachmittag begab ich mich dann auf einen kleinen Stadtrundgang, aber nutzte die Zeit größtenteils zum Ausruhen.

8.Etappe: Tui – Mos

Mit neuer Energie startete ich in Tag 9. Meinem Knöchel ging es wieder besser und so führte mich der Weg in das kleine Örtchen Mos.

Hier angekommen bezog ich am Nachmittag die Pilgerherberge, die insgesamt Platz für 8 Doppelstockbetten (= 16 Schlafplätze!) bot.

9.Etappe: Mos – Arcade

Meine Nacht war nicht besonders ruhig. Die ersten Pilger starteten ihren Tag schon um 4:30 Uhr morgens und so war auch ich schon wach und begab mich nur wenig später noch im Dunklen auf den Weg. Sichtlich genervt marschierte ich die ersten Kilometer vor mich hin, ohne viel von meiner Umgebung zu sehen. Aber irgendwann erwachte der Tag und der Sonnenaufgang machte die kurze Nacht wieder wett. Ich gönnte mir ein kleines Frühstück in einem Pilgercafé auf dem Weg und ging gestärkt weiter, an diesem Tag bis nach Arcade. Hier hatte gerade ein neues Hostel aufgemacht, in dem ich mich sofort wohlfühlte und den Abend gemeinsam mit einer weiteren Pilgerin und einem Glas Wein ausklingen ließ.

10.Etappe: Arcade – Portela

Den nächsten Tag starteten wir gemeinsam und verbrachten auch den größten Teil des Tages zusammen. Wir legten einen Stopp in Pontevedra ein, aßen dort unser zweites kleines Frühstück und erreichten unser Etappenziel kurz nach einem weiteren Besuch in einem Pilger-Biergarten auf dem Weg.

Das Highlight an diesem Tag war die privat geführte Pilgerunterkunft in Portela. Der Besitzer kocht hier jeden Abend ein Pilgermenü und lädt alle zum Beisammensitzen im Garten ein – ein wirklich tolles Erlebnis während meiner Pilgerzeit. Der Abend war lang und die Stimmung ausgelassen.

11.Etappe: Portela – Pontecesures

Dieser Tag raubte mir restliche Nerven. Mehr als 30 km legten wir zurück. Gestartet bin ich vorerst allein, traf aber irgendwann meine Pilgerbekanntschaft vom Tag zuvor wieder und wir gingen gemeinsam weiter. In einem Café am Rande des Weges gesellte sich noch ein weiterer Pilger zu uns und wir beendeten die Etappe zu dritt in dem eher unscheinbaren Örtchen Pontecesures, wo wir, nach der vergeblichen Suche eines guten Restaurants, am Abend gemeinsam kochten und den Tag ausklingen ließen.

12.Etappe: Pontecesures – Milladoiro

Das Ziel rückt langsam immer näher! Die Sonne ließ sich an diesem Tag ebenfalls wieder ordentlich blicken. Noch ein paar wenige Kilometer und wir können die Umrisse von Santiago de Compostela schon sehen!

Wir entschieden uns dazu die letzten Etappen gemeinsam zu gehen und machten in der letztmöglichen Unterkunft vor unserem Endziel Halt, um am nächsten Tag frisch und gestärkt in Santiago de Compostela einzutreffen. Die schöne Herberge in Milladoiro überzeugte sofort und nachdem sich am Abend auch noch drei Italiener dazu bereit erklärten für alle Abendessen zu kochen, war der Tag perfekt.

13.Etappe: Milladoiro – Santiago de Compostela

Die letzte Etappe! Nur noch 7 km bis zum Ziel! Unbeschreiblich!

Die Sonne strahlte nur so durch die Bäume und umrahmte die Silhouette der Vorstadt Santiagos in einem goldenen Licht. Unsere Schritte wurden langsamer, unsere Gedanken wehmütiger. Zwei Wochen waren vergangen seit meinem Start in Porto.

Kurz vorm Ziel gönnten wir uns ein Frühstück in einem Café und bestritten die letzten Kilometer als 3er Team und dann war es soweit.

Wir hatten es geschafft und erblickten die Kathedrale von Santiago de Compostela mit der aufgehenden Sonne im Hintergrund.

Was für ein Moment!

Nach Minuten des Staunens und der Freude, hatte ich nur noch einen Weg zu erledigen: ich ging mit meinem Pilgerausweis der letzten zwei Wochen in das Pilgerbüro in Santiago de Compostela und holte mir meine Pilgerurkunde ab – eine Erinnerung an zwei unbeschreibliche Wochen meines Lebens und eine tolle Zeit mit vielen Eindrücken, Erlebnissen, neuen Bekanntschaften, einigen Tiefpunkten und ganz vielen Höhen. 🙂

Am Ziel angekommen: vor der Kathedrale in Santiago de Compostela, 22. Mai 2019

Das Ende?

Lest in diesem Beitrag wie meine Pilgerzeit in Spanien weiter verlief: Camino Fisterra y Muxía.

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1 Kommentar

  1. […] Mai 2019 bin ich den Portugiesischen Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela gelaufen und hatte mir dafür insgesamt drei Wochen Zeit eingeplant. Nachdem ich mein Ziel schon […]

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